„Zukunft gestalten im Bestand“: Rückblick auf das 7. Dresdner Immobiliensymposium

Rund 190 Vertreter der Bau- und Immobilienbranche waren der Einladung von hpm, BDA Sachsen und simul+ zum 7. Dresdner Immobiliensymposium gefolgt und setzten sich am 26. September 2023 im Deutschen Hygiene-Museum tiefgreifend mit den drängenden Herausforderungen der Branche sowie praktischen und innovativen Lösungsansätzen auseinander.

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Unter dem Titel „Zukunft gestalten im Bestand: Wie wir graue Energie nutzen und Ressourcen schonen“ nahm die Veranstaltung zwei der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit in den Fokus: Die energetische Sanierung von Bestandsimmobilien spart nicht nur Energie(-kosten), wertvolle Ressourcen und CO₂-Emissionen, sondern kann gleichzeitig dringend benötigten Wohn- und Arbeitsraum schaffen. Doch die so wichtige Transformation – sowohl im physischen Sinne die des Bestandes als auch prozessual im Denken und Handeln des Marktes – birgt zahlreiche Hürden, seien es komplexe gesetzliche Anforderungen, bürokratische Fallstricke, Planungs- und Kostenunsicherheiten oder schlicht unser gewohntes „Abriss und Neubau“-Mindset. Darüber hinaus prägte ungeplant auch der 14-Punkte-Plan der Bundesregierung zur Förderung des Wohnungsbaus die Debatten, der just am Tag zuvor vorgestellt wurde.

Dringend notwendig: klare politische Strategien

Zur Eröffnung ging hpm-Geschäftsführer Thomas Henkel auf den Kontext des Programms und die aktuelle Situation der Branche ein. Zins- und Baupreissteigerung, Inflation, Fachkräftemangel, Diskussionen über politische Regulierungen und Fördermaßnahmen, Verunsicherung der Käufer – die multiplen Krisen der Bau- wie auch Gesamtwirtschaft drohen, die Bedeutung der Klimakrise zu überschatten. Dabei ist die Debatte über das „ob“ spätestens seit dem Pariser Klimaabkommen müßig. Dennoch verfehlte die Bau- und Immobilienbranche zum dritten Mal in Folge ihre Sektorenziele und verliert sich in Scheindebatten, statt klare Strategien und konkrete Lösungsmöglichkeiten auszuarbeiten – so etwa die Fokussierung des „schlafenden Riesen“ des Bestands. Passend dazu schloss sich das Video-Grußwort von Staatsminister Thomas Schmidt an, der zahlreiche Anstrengungen des Sächsischen Staatsministeriums für Regionalentwicklung für bezahlbares und klimafreundliches Bauen und Wohnen vorstellte.

Von der Landespolitik zur Bundesebene ging es im nächsten Grußwort von Kassem Taher Saleh, Bundestagsabgeordneter der sächsischen Bündnis 90/Die Grünen und Obmann im Ausschuss Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen. In seiner Ansprache ging er auf Ziele und Maßnahmen der Bundesregierung ein, schilderte die politische Arbeit unter anderem am Gebäudeenergiegesetz oder dem 14-Punkte-Plan und betonte die Bedeutung der Weiterverwendung und Kreislaufführung von Baustoffen. Deshalb würden in Zukunft graue Energie und Lebenszykluskosten weiter in den Fokus rücken, etwa in Form von Novellen des Vergaberechts 2024 oder des Gebäudeenergiegesetzes in den kommenden Jahren. Auch dem in Entwicklung befindlichen digitalen Gebäuderessourcenpass kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Im abschließenden Apell sprach Taher Saleh das Publikum direkt an: Er forderte Zusammenarbeit, aber auch Verantwortungsbewusstsein und Beteiligung jedes Einzelnen, und warnte davor, sich von wirtschaftlichen Bedenken ausbremsen zu lassen.

Besser einzelne, effiziente Maßnahmen als 100% Leuchtturm

Die zwei anschließenden Programmpunkte konnten trotz kurzfristiger gesundheitlicher Einschränkungen digital übertragen werden. Prof. Dietmar Walberg, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. und Honorarprofessor an der Technischen Hochschule Lübeck, stellte in seiner Keynote die Frage: Was kann der Wohnungsbestand überhaupt leisten? Angesichts vielschichtiger, teils konträrer Sanierungsziele – von klimaneutral und bezahlbar über flexibel und altersgerecht bis hin zu barrierefrei und sozial – steht der Wohnungsmarkt vor schier unlösbaren Herausforderungen. Auf Basis detaillierter Studienergebnisse plädierte Prof. Walberg daher für gezielte Sanierungsstrategien sowie eine konsequente Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien und eine wohl durchdachte Sanierungstiefe, um ein effizientes Verhältnis von eingesetzten Grauen Emissionen zu den eingesparten operativen Emissionen zu erzielen.

Im Impuls „Ungeliebt, aber alternativlos: Suffizienz“ ging Prof. Annette Hillebrandt – Kreislaufwirtschafts-Expertin, Architektin und Professorin für Baukonstruktion, Entwurf und Materialkunde an der Bergischen Universität Wuppertal – scharf mit der anhaltend hohen Flächenversiegelung in Deutschland und dem ungebremsten Einsatz schlecht recycelfähiger Komposite und Schadstoffe bei Bauvorhaben ins Gericht. Die gängige Nachhaltigkeitsstrategie der Effizienz habe offensichtlich versagt, da von Rebound-Effekten aufgefressen. Konsistenz werde beschworen, sei aber schwer einzuschätzen und durchzuführen. Suffizienz – als das Verzichten – ist zwar ungeliebt, aber alternativlos und einfach umzusetzen: „Jeder bei sich – sofort! Lass uns mal wirklich nach vorne gehen!“

Herausforderungen und Chancen der Bestandssanierung

Den Auftakt des ersten Themenblocks „Herausforderungen und Chancen der Bestandssanierung“ macht Barbara Metz, Geschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Angesichts der aktuellen Entwicklungen hatte ihr Team ihren Vortrag am Abend vor dem Event komplett überarbeitet und kritisierte so das am Tag zuvor verabschiedete 14-Punkte-Programm der Bundesregierung zum Thema Wohnen als „bitteren Rückschritt“. Die Systematik und Förderung sei in Deutschland komplett auf Neubau ausgerichtet; dabei brauche es jetzt vielmehr eine Abrissgenehmigungspflicht und eine Wertigkeit des Bestandes.

Mit konkreten Erfahrungen und Beispielen stimmte Baurechts-Experte Dr. Cedric Vornholt aus Frankfurt am Main ein: Das veraltete öffentliche Baurecht sei ein enormer Hemmschuh für nachhaltige Bauprojekte. Dabei stehe Deutschland an einem ähnlichen Punkt wie vor 70 Jahren, nur gehe es „nicht mehr um den Wiederaufbau, sondern um einen ökologischen Umbau.“ Dafür seien kurzfristig gut austarierte Befreiungsregelungen genauso wichtig wie langfristig eine umfangreiche Nivellierung des öffentlichen Baurechts.

Einen starken Abschluss des ersten Themenblocks lieferte schließlich Sarah Dungs, Geschäftsführerin der Greyfield Group und 1. Vorsitzende des noch jungen Verbands für Bauen im Bestand e.V. Ziel des Verbands sei es, mit pragmatischen Lösungen ganz konkret an einer „enkeltauglichen Welt“ von morgen mitzuwirken. „Wir kennen alle die Probleme – wir müssen sie doch jetzt einfach nur lösen.“ Dazu entwarfen die Mitglieder u.a. eine Checkliste für die Risikoeinschätzung beim Bauen im Bestand, einen CO2-Ausweis für mehr Transparenz eines jeden Gebäudes und sowie die „BIB 276“ – ein Pendant zur DIN 276 zur Kostengliederung und -schätzung für das Bauen im Bestand. Mit dem Songtext der Ärzte appellierte sie mehrfach: „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär‘ nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.“

Finanzierung und Förderung nachhaltiger Sanierungsmaßnahmen

Manuel Ehlers, Leiter Nachhaltige Immobilien bei der Triodos Bank, gestaltete den Einstieg in den zweiten Themenblock „Finanzierung und Förderung nachhaltiger Sanierungsmaßnahmen“. Er erinnerte, dass schon das BDA-Positionspapier „Das Haus der Erde“ 2019 gefordert hatte, jeder Neubau müsse seine zwingende Unabdingbarkeit unter Beweis stellen. Doch erst jetzt mit der Zinswende stagniert der Neubau. Für die Triodos Bank sei Geld nicht gleich Geld, sie stelle sich stattdessen die Frage, wofür es eingesetzt werde. Einem Euro, der 15-20 Prozent Rendite bringen muss, sei egal, ob er versiegelt oder graue Emissionen verursacht. Dass es auch anders geht, zeigte er unter anderem am in Dresden begleiteten Projekt „Ehemalige Konsumgenossenschaft Vorwärts“ in der Fabrikstraße 13.

Aus dem „Maschinenraum der Bundesförderung“ berichtete im Anschluss Stefan Kipfelsberger, Unterabteilungsleiter der Bundesförderung für effiziente Gebäude – Einzelmaßnahmen (BEG EM) im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Die notwendige Transformation des Gebäudesektors verursache immensen Handlungsdruck und massiven Investitionsbedarf, dem die Regierung mit zahlreichen Bundesförderungen u.a. für effiziente Gebäude (BEG), für Energieberatung, für serielle Sanierung, aber auch für effiziente Wärmenetze (BEW) sowie mit dem Gesetz für kommunale Wärmeplanung und dem Aufbauprogramm Wärmepumpe (BAW) begegne. Die Förderbilanz 2021 zeige, dass die BEG Wohngebäude ihre THG-Einsparungsziele verfehlt habe und nachjustiert werden müsse; die BEG Einzelmaßnahmen dagegen habe die Ziele übererfüllt und sich damit als zielgerichteter Mitteleinsatz erwiesen. Im Jahr 2023 wurden bereits über 1,3 Mio. Anträge in der BEG EM gestellt.

Zum Abschluss des Vormittags stellte Robert-Christian Gierth, Geschäftsführer und Partner der assiduus³ Development GmbH, anschaulich den Erweiterungsbau „Zille Impact Campus“ in Berlin Charlottenburg vor. In diesem Leuchtturmprojekt kommen zu hohen Anteilen wiederverwendete Baumaterialien zum Einsatz, außerdem soll in Zukunft ein nahezu energieautarker Betrieb gewährleistet werden. Trotz Widrigkeiten ist Gierth überzeugt: „Echte Nachhaltigkeit zahlt sich auch wirtschaftlich aus.“ Architekten zu finden, die sich wirklich mit dem Bauen mit Holz auskennen, sei jedoch nicht einfach gewesen. Bei einem Projekt dieser Art sei die Planung länger und kostspieliger, das Bauen selbst aber nicht. Und auch bei den Banken sei der neue Tenor mittlerweile „intensiv angekommen“.

Workshops und Fazit

In den nachmittäglichen, zweistündigen Workshops gingen die Referenten sowohl in die Tiefe als auch in den unmittelbaren Dialog mit dem Publikum. Während es im ersten Themenblock um konkrete Herausforderungen und Lösungsansätze in Planung und Umsetzung ging, fokussierte der zweite Workshop u.a. Fragen der Steuer- und Förderpolitik, die anstehende CSRD- bzw. ESG-Berichterstattung sowie die zukünftigen Auswirkungen des Emissionshandels. Die Abschlussrunde des Symposiums mit Moderator Dr. Thomas Welter, Moderatorin Annette Ehlers und Veranstalter Thomas Henkel zeigte drei zentrale Baustellen auf:

  1. Die Notwendigkeit, das Bewusstsein und Mindset hinsichtlich des Bestandserhalts und vermeintlicher Hürden zu verändern;
  2. die Bedeutung von Pragmatismus und geeigneter Tools, um zum Beispiel Risiken und Kosten besser einschätzen zu können sowie
  3. die Anpassung von Ordnungs-, Steuer- und Förderpolitik, um kohärente Anreize zu schaffen.

In Anbetracht dieser Einsichten stellt sich für die öffentliche Hand die drängende Frage, wie sie als Vorbild agieren und weniger Abriss, ggf. sogar eine Genehmigungspflicht sowie einen konsequenten Umbau des Baurechts in den Fokus rücken kann. Gleichzeitig benötigt der private Sektor dringend Ideen für neue, gemeinsame Geschäftsmodelle, die den Bestandserhalt wirtschaftlich attraktiv und gesellschaftlich zielführend machen.

Die Resonanz der Teilnehmer sowie die Diskussionen haben gezeigt, dass die Zeit für Veränderungen reif ist. Das Symposium markierte einen wichtigen Schritt hin zu einer nachhaltigeren und zukunftsorientierten Immobilienbranche, die ökologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte gleichermaßen berücksichtigt.